Diesjährige Studienfahrt war nicht nur für die „Textiler“ interessant…
In die schöne Oberlausitz führte die diesjährige Studienfahrt des Museumsverein der Stadt Forst (Lausitz). Großschönau und Herrnhut hießen die Ziele.
Mit einem Reisebus des Taxiunternehmens 2020 ging es bei schönstem sommerlichem Wetter über Niesky und Löbau zunächst nach Großschönau zum Firmensitz der frottana Textil GmbH & Co. KG. Der Hersteller vielfältigster Frottierwaren in erstklassiger Qualität und hochwertiger Verarbeitung vertreibt unter dem Namen „Frottana“ seine Produkte. Hier wurde auch Mitte des 19. Jahrhunderts der erste Frottierwebstuhl Deutschlands in Betrieb genommen.
Bei einer Betriebsbesichtigung (in zwei Gruppen) wurde der Weg vom Garn zum fertigen Frottee-Produkt nachvollzogen.
Genau wie Forst hat auch Großschönau eine lange Textiltradition. Nach der Verstaatlichung verschiedenster privater Betriebe Ende der 1940er Jahrein wurden diese zu einem Großbetrieb mit dem neuen Namen VEB Frottana zusammengefasst. Frottana stieg zu einem der größten Frottierhersteller in Europa auf. Nach der politischen Wende in der DDR wurde Frottana zunächst der Treuhand zugeschlagen. 1992 erwarb die Vossen-Gruppe Gütersloh den Bereich Frottier mit dem Markennamen „Frottana“ und im gleichen Jahr zudem das Markenzeichen „Möve“ aus der Insolvenzmasse des westdeutschen Frottierwarenproduzenten Möve Frottierwaren GmbH. 1997 schloss Vossen seine Standorte in Deutschland, behielt allerdings den Markennamen FROTTANA. Als eigenständiges Unternehmen Frottana Textil GmbH & Co. KG ausgegliedert, produziert das Werk noch heute am Standort in Großschönau.
Von einst über 1000 Arbeitern sind heutzutage noch etwa 200 übrig geblieben. Umso erfreuter zeigten sich die Großschönauer, daß seit einigen Jahren wieder eigene Mitarbeiter ausgebildet werden.
Ehemalige in der Forster Textilindustrie Tätige fachsimpelten mit den Kollegen aus Großschönau und staunten nicht schlecht über die heutigen Produktionsbedingungen und -abläufe. So ist das Frottana-Werk fast autark und produziert den benötigten Strom und die Energie selbst und speist anschließend wieder in die betriebseigenen Leitungen ein.
Natürlich durfte auch ein Besuch im hauseigenen Werksverkauf nicht fehlen.
Nach der Mittagspause in der „Rübezahlbaude“ in Waltersdorf ging die Studienfahrt weiter nach Herrnhut, ca. 30 km von Großschönau entfernt – begleitet von einer herrlichen Landschaft mit viel Weitsicht. Doch nicht die Manufaktur der berühmten Herrnhuter Sterne stand im Programmablauf, sondern die Besichtigung des barocken Kirchensaals der Herrnhuter Brüdergemeine von 1756.
Die Herrnhuter Brüdergemeine geht auf die böhmische Reformation und den Grafen Nikolaus Ludwig von Zinzendorf zurück. Böhmische Brüder, überwiegend aus Mähren, siedelten sich auf dem Gut von Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf (1700–1760) im Oberlausitzer Ort Berthelsdorf an. Außerhalb des Dorfes gründeten sie die Siedlung Herrnhut.1727 arbeitete Zinzendorf mit weiteren Partnern die sogenannten Herrnhuter Statuten aus, in denen die rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die Siedlung, aber auch die geistlichen Regelungen für die neue Gemeinschaft festgelegt wurde.
Der durch die Kriegswirren des 2. Weltkrieges unbeschädigte Kirchensaal wurde am 9. Mai 1945 – einen Tag nach Kriegsende – durch brandschatzende Truppen der Roten Armee zerstört. Der Wiederaufbau der Kirche vollzog sich zwischen 1951 und 1953.
Nur etwa 200m von der Kirche entfernt befindet sich das Herrnhuter Heimatmuseums. Neben einer vollständig eingerichteten Wohnung im Biedermeierstil, einer Technikausstellung im Keller sowie einem Barockgarten besichtigten die Gäste aus Forst auch die Sonderausstellung zu Alltagsdingen, die längst aus der Mode gekommen sind (z.B. Discman, Tesla-Tonbandgerät, Erika-Schreibmaschine u.a.).
In der Dauerausstellung fand sich auch ein Bezug zu Forst, steht hier doch eines der wenigen noch erhalten gebliebenen Philipp-Pianos, die in Forst (Lausitz) gebaut wurden.
Bevor es wieder auf die Heimreise ging, wurde noch ein Halt im ehemaligen Herrnhuter Bahnhof eingelegt. Im Café „nostalgia privatim“ gab es für jeden Teilnehmer zwei Riesenstücke Torte.
Ein besonderer Dank geht an Busfahrer Michael von „Taxi 2020“ sowie an alle beteiligte Partner in den jeweiligen Örtlichkeiten, die zum Gelingen der Studienfahrt beigetragen haben! (tfs)
Fotos: Thorigrafie/Haß